Die Grundpfeiler der Yogaphilosophie: Yamas, Teil 1

Gewaltfrei und wahrhaftiger leben, ein respektvoller Umgang mit den Ressourcen unseres Planeten. Wie uns Ethik und Selbstdisziplin helfen harmonischere Beziehungen zu schaffen.

Mit dem Wort Yoga verknüpft man oft unmittelbar das Bild einer flexiblen Körperhaltung.  Kopfstand, Brücke, herauf- und herabschauender Hund und wie sie alle heissen. Diese wunderbaren Asanas, ohne die viele von uns nicht mehr sein mögen. Yoga bietet jedoch viel mehr und geht weit über die körperlichen Übungen hinaus. Laut dem Yogasutra von Patanjali  (indischer Gelehrter und Verfasser des Yogasutra, ca. 2. Jahrhundert v. Ch.) spricht man vom 8gliedrigen Pfad (Ashtanga Yoga):

  • Yama - Moral & Ethik


  • Niyama - Selbstdisziplin


  • Asana - Körperstellungen


  • Pranayama - Kontrolle des Atems


  • Pratyahara - Rückzug der Sinne

  • 
Dharana - Konzentration 


  • Dhyana - Meditation


  • Samadhi - Versenkung, völlige Ruhe des Geistes

Patanjali: Verfasser des Astanga Yoga, dem 8gliedrigen Pfad

Patanjali: Verfasser des Astanga Yoga, dem 8gliedrigen Pfad

Die ersten beiden Stufen, Yama und Niyama geben uns die Möglichkeit das Leben und unsere eigenen Verhaltensmuster genauer zu betrachten. Es geht dabei um den Umgang mit sich selbst, seinen Mitmenschen und unserem Planten. Und selbst wenn du noch nie eine einzige Asana (Körperübung) in deinem Leben gemacht hast kannst du mit dem Umsetzen der ethischen Werte von Yama und Niyama ein weitaus achtsamerer Yogi werden, als vielleicht jemand der Kopf- und Handstand aus dem FF kann, aber sich ansonsten unethisch verhält.

Teil 1: Die 5 Yamas

Ahimsa - Gewaltlosigkeit

Dass wir niemanden verhauen sollen ist den meisten von uns wahrscheinlich klar. Bei Ahimsa geht es unter anderem aber um eine viel subtilere Art von Gewalt. Achte doch einmal darauf, wie du mit dir selbst in Gedanken sprichst. Wie oft geben wir uns selbst ein Schimpfwort wenn ein Missgeschick passiert? In welchen Ton sprechen wir mit anderen? Und gerade in der Yoga Praxis ist es oft zu beobachten, dass man sich mehr oder weniger “gewaltsam” in eine Position hineinpresst. Das Resultat ist dann leider oft eine Verletzung. Wenn das passiert, war Ahimsa nicht im Spiel. Das Fundament jeder gewaltlosen Beziehung ist die Selbstliebe. Denn so wie man mit sich selbst umgeht, behandelt man sein Umfeld.

Übung für mehr Ahimsa im Alltag und auf der Matte: 

Beobachte mal eine Zeit lang deine Gedanken, deine Worte und Taten. Wenn du solche unachtsamen Tendenzen an dir erkennen kannst versuche bei der nächsten Gelegenheit eine sanftere und respektvollere Ausdrucksweise zu wählen. Wie praktizierst du Yoga? Gibst du deinem Körper Raum oder muss das Bein jetzt dort hin wo du es haben möchtest, weil alle anderen es auch tun? Dann ist das vielleicht ein Zeichen, etwas liebevoller mit dir und deinem Körper umzugehen. Weniger, dafür achtsamer und angepasst kann dich in deiner Praxis weit mehr unterstützen.

Satya - Wahrhaftigkeit

Die Wahrheit sprechen ist nicht immer leicht. Oft erfinden wir kleine Lügen um andere (vermeintlich) nicht zu verletzen. Carl Jung schreibt: “Eine Lüge würde keinen Sinn ergeben, wenn die Wahrheit nicht als gefährlich empfunden wird”. Dieser Satz hat tiefe Bedeutung. Im Grunde geht es darum unsere eigene Wahrheit zu leben. Zu dem zu Stehen was uns wichtig ist und was uns als individuelle Person ausmacht. Wie oft im Leben belügen wir uns selbst am meisten? Reden uns Dinge schön, obwohl wir tief in unserem Inneren wissen, dass eine Situation nicht mehr zu uns passt. Wünschen wir uns nicht alle unsere Masken abzulegen ein “echteres” und wahrhaftigeres Leben zu führen?

Übung für mehr Satya im Alltag und auf der Matte:

Hab den Mut und zeige dein wahres Ich. Stehe zu dem was dir wichtig erscheint und tritt für Dinge ein, die dir am Herzen liegen. Auch wenn es nicht immer chic ist. “Better real than nice”, schreibt Deborah Adele in ihrem wunderbaren Buch “The Yamas & Niyamas”. Auch wenn es nicht immer der einfache Weg ist, bringt uns Wahrheit die Erkenntnis, dass wir trotzdem oder gerade deswegen geliebt werden, weil wir uns so zeigen wie wir wirklich sind.

Für meine eigene tägliche Yoga Praxis habe ich manchmal 1000 Ausreden warum ich gerade heute nicht zum Üben kann. Wenn du das auch kennst, hör auf dich selber zu belügen. Mach an so einem Tag trotzdem deine Praxis. Und wenn es für 10 Minuten ist. Denn tief drinnen wissen wir genau, was uns gut tut und dass sich die Zeit dafür findet.

Astheya - Nicht stehlen

Ganz banal betrachtet bedeutet Nicht Stehlen, nicht stehlen. Also etwas an sich zu nehmen, was einem nicht zusteht. So weit so gut. Im weiteren Sinne erkennt man vielleicht, dass wir sehr wohl Zeit und Aufmerksamkeit uns und anderen “stehlen”. Energien und Ressourcen manchmal bis zum Kollaps ausschöpfen und unseren Planten permanent bestehlen.

Übung für mehr Astheya im Alltag:

Folgende Situation: jemand erzählt etwas aus seinem Leben oder berichtet von einem Erfolgserlebnis und sofort wissen wir dazu eine eigene Story. Im Grunde meinen wir es gut. Aber es gibt Situationen wo uns nicht bewusst ist, dass es angebrachter ist uns zurück zu nehmen. Einfach nur aufrichtig zuhören ohne die Aufmerksamkeit auf uns zu lenken.

Global betrachtet vergessen wir oft, dass wir hier Besucher auf Zeit sind. Die Ressourcen unseres Planten betrachten wir jedoch als selbstverständlich. In einer Zeit wo der Klimawandel mittlerweile bei uns allen ein erschreckendes Gefühl hervorruft, sind wir noch mehr aufgefordert ins Tun zu kommen. Auf welches Plastikteil kannst du verzichten? Müssen wir wirklich alle 2 Jahre ein neues Handy haben? Jeden Kilometer mit dem Auto fahren? Mehr einkaufen als wir wirklich brauchen? Finde heraus, welchen Beitrag du leisten kannst.

Brahmacharya - Enthaltsamkeit

Klassisch gesehen bedeutet Brahmacharya die sexuelle Enthaltsamkeit. In der Yoga Philosophie führt der Weg zur völligen Selbsterkenntnis durch den Verzicht auf irdische Begierden. Ich gebe zu, für Menschen die mitten im Leben stehen und nicht unbedingt nach der Erleuchtung in erster Linie streben, nicht so praktikabel. Nichts desto trotz kann man von Zeit zu Zeit bewusst auf etwas verzichten, was einem wichtig ist.

Übung für mehr Brahmacharya im Alltag:

Fasten ist eine wunderbare Methode Brahmacharya zu üben. Das kann sich auf die Nahrung, Alkohol, Kaffee oder Soziale Medien beziehen. Finde das richtige Maß bei allen Dingen. Erkenne, wann es genug ist.Vermeintlich unverzichtbare Dinge, erscheinen dann auf einmal gar nicht mehr so wichtig. Als Belohnung wartet ein Gefühl der Befreiung.

Aparigraha - Nicht Anhaften

Anhaften an Dingen, Menschen und an unseren Gedanken und Einstellungen ist wahrscheinlich Leidensfaktor Nummer 1 in unserer Zeit. Wir wollen, dass alles so bleibt wie es ist. Nichts verlieren, nichts hergeben, anhäufen und somit vermeintliche Sicherheit schaffen. Nicht loslassen können. Wenn jedoch eines ganz sicher ist im Leben, dann dass nichts von Dauer ist. Je früher wir es schaffen das zu akzeptieren, desto leichter gehen wir durchs Leben. Und das ist gut so. Du willst ja auch nicht jeden Tag das selbe leckere Schoko Törtchen essen, oder?

Übung für mehr Aparigraha im Alltag: 

Aparigraha bedeutet nicht kompletter Verzicht oder keine Freude empfinden zu dürfen. Im Gegenteil. Geniesse im Hier und Jetzt was gerade da ist und wenn es vorbei ist lass es los. Hab Spass an Luxusgütern, aber wenn mal Enge im Geldbeutel ist, leide nicht wenn du dir das Neueste nicht kaufen kannst. Miste mal ordentlich deine Wohnung und den Kleiderschrank aus und gib es denjenigen die nicht so viel haben. Lass Dinge und Menschen los, wenn du spürst, dass die Zeit dafür gekommen ist.

Fazit:

Zusammenfassend kann der 8-gliedrige Pfad des Yoga uns helfen, ethische Prinzipien zu leben, Körper und Geist zu stärken, unseren Geist zu beruhigen und uns auf eine tiefere Ebene des Bewusstseins zu bringen. In der heutigen Zeit können diese Prinzipien und Praktiken dazu beitragen, Stress abzubauen, unsere Gesundheit zu verbessern, unsere Konzentration zu steigern und ein erfülltes Leben zu führen.

Namaste

Eure Romana, E5 Team

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